Sonntag, 29. Juni 2025

Mein Freund, der Baum: Meine persönliche Baumgeschichte

Im zurückliegenden Monat habe ich die Suche nach einem neuen Baum sehr, sehr lässig betrieben. Als ich mich dann gestern noch zwecks Pirsch in den Botanischen Garten aufmachen wollte, ging es mir nicht so, dass ich mir das zugetraut hätte. Also greife ich zurück auf einen Post, den ich schon in ähnlicher Form veröffentlicht habe und der ganz viel von meiner jahrzehntelang gewachsenen Liebe zu den grünen Baumfreunden erzählt.
Hilde Domin
Ziehende Landschaft 
  
Man muss weggehen können
und doch sein wie ein Baum:
als bliebe die Wurzel im Boden,
als zöge die Landschaft und wir ständen fest.
Man muss den Atem anhalten,
bis der Wind nachlässt
und die fremde Luft um uns zu kreisen beginnt,
bis das Spiel von Licht und Schatten,
von Grün und Blau
die alten Muster zeigt,
und wir zu Hause sind,
wo es auch sei,
und niedersitzen können und uns anlehnen,
als sei es an das Grab
unserer Mutter.

 


Der erste Baum, der einen großen - im wahrsten Sinne des Wortes  -  Eindruck auf mich als kleines Kind gemacht hat, war die Doppellinde auf der höchsten Höhe eines Höhenzuges namens Lindenberg, der das Dorf meiner Kindheit in nordöstlicher Richtung einschließt. Eine Landmarke bis heute, allerdings nicht mehr so beeindruckend wie einst, weil ihr die Wohnbebauung ganz schön auf die Pelle gerückt ist. Dort am Hang wohnte meine Lindenberg - Oma, und bei vielen Besuchen in ihrem uralten Haus habe ich den Berg noch weiter erklommen, unter der Linde gestanden und über den mächtigen Baum gestaunt.




Mein zweiter "Lebensbaum" war der große Walnussbaum im Garten hinter meinem Elternhaus. Hier habe ich ihm ein Denkmal gesetzt, denn er ist schon lange nicht mehr der alte. Den Geruch der zwischen den Fingern zerriebenen Blätter mag ich nach wie vor sehr viel lieber als den Geschmack der Nüsse. Und ich kann es bis heute nicht lassen, wenn ich in unserem Tälchen an Nussbäumen vorbeikomme und muss ihn auch immer meinen Enkeln unter die Nase reiben, so betörend finde ich ihn.


Obwohl neben dem Treppenaufgang zu meinem Elternhaus eine Reihe ganz junger Birken stand, haben die mich viel weniger beeindruckt als die Lärchen mit einem ähnlichen, besonders ansprechenden Maigrün. Oberhalb unseres Gartengeländes auf der Hügelkuppe gab es ein kleines lichtes Wäldchen aus Lärchen mit einem ebenso grünen, weichen, gräsernen Waldboden, durchwebt von zarten, wilden Glockenblumen, zierlichen Karthäuser- und weißen Lichtnelken, heiteren Margeriten, bevölkert mit Widderchen und Grashüpfern. Und dort habe ich gerne gesessen und das ganze Tal mit dem Dorf überblickt. Diese Erinnerungsbilder sind für mich der Inbegriff des Sommers, als er noch nicht so gnadenlos überhitzt war. Lärchen sind bis heute meine liebsten Nadelbäume, auch in ihrer unübertroffen grandiosen Herbstfärbung, die dem Odenwald im November ein besonders eindrückliches Aussehen verpasst.

Auch vor unserer Wohnung in Bonn stand eine Birke neben den Autoparkplätzen. Wichtiger waren aber die Ahörner hinterm Haus, Kletterbäume par excellence, bis mir von meinen Eltern deutlich gemacht wurde, das schicke sich nicht für ein Mädchen in der beginnenden Pubertät, darin mit den Jungen in leichter Kleidung herumzuklettern. So war das in den 1960er Jahren!

Auch bei meiner ersten Kölner Wohnung gab es eine Birke vor dem Fenster mit meinem Schreibtisch, die längst den heißen & regenarmen Sommern zum Opfer gefallen ist. Die imponierend, da unüblich hohen Birken in der südwestlichen Ecke unseres Häusercarrées, deren Schwanken im Wind ich immer vom Bett aus meditierend verfolgen konnte, sind auch schon vor längerer Zeit gefällt worden. Mit ihrem dicht unter der Erdoberfläche liegenden Wurzelwerk waren sie einigen Nachbarn nicht mehr geheuer, die ihre Standsicherheit in Frage stellten. Seitdem ist im Geviert kein Buchfink mehr zu vernehmen, die ja für ihre Nester eine größere Höhe bevorzugen.

Der zweite Baum, der im Bett liegend lange mein Herz erwärmt hat ( besonders, als ich einmal mit einer Angina während seiner Blüte ans Bett gefesselt war ), war der beachtliche Birnbaum im Garten unserer Nachbarn zur Rechten. Auch er fiel der Säge zum Opfer, weil er nicht mehr gesund genug war und den Nachbarn zu viel Schatten gespendet hat. Ihm, wie der großen Zahl anderer Bäume, die in unserem Häusercarrée wuchsen, habe ich beim Fällen immer hinterher geweint, selbst den düsteren Koniferen, als ihre Eigentümerin sie hat entfernen lassen. Inzwischen ist aus der Vogelperspektive nur noch mein Grundstück und das der Nachbarin gegenüber grün von Bäumen, abgesehen von einer mächtigen Robinie in der südöstlichen Ecke. Als wir das Haus vor fast vierzig Jahren gekauft hatten, war es genau umgekehrt gewesen.

Zum  Glück sind  meine eigenen, vor 38 bzw. 37 Jahren gepflanzten Bäume inzwischen so groß, dass sie mir Schutz & Schirm sind, ein für die Augen wunderbar erholsames Grün, Schatten für meine allergiegeplagte Haut, Früchte und vor allem unendliche Freude das ganze Jahr über bieten. Dabei war die mittlerweile haushohe Magnolie einst nicht mehr als ein Bäumchen mit gerade mal drei Trieben! 

Meine Bäume, auch wenn ich nicht mehr darin herumzuklettern vermag, gehören zu meinem Fitnessprogramm, besonders im Frühjahr und Herbst, wenn ich tagelang mit dem Auffegen der Blütenblätter bzw. des Laubes beschäftigt bin. Aber das macht in diesen Jahreszeiten ja auch irgendwie Spaß.

Auch an der Schule, an der ich am längsten unterrichtet habe, habe ich mich mit meiner Baumliebe verewigt: Dort steht eine Esskastanie, die ich zusammen mit meiner damaligen Klasse bei einem Wettbewerb der Stadt gewonnen hatte. Die hat sogar die Belastung durch eine Umsetzung während einer Neubauphase auf dem Schulhof überstanden und trägt inzwischen die Früchte, wie es sich die Kinder meiner Klasse gewünscht hatten. Die sollten den Tieren überlassen bleiben, so, wie die  meisten Kirschen an meinem zweiten Hausbaum, die Amseln in der Zeit nach dem Brüten wieder auf die Beine helfen oder den Alexander- oder  Halsbandsittichen ermöglichen, in unseren Breiten gut zu leben.

In den letzten Jahren mit seinen unerbittlichen Klimaveränderungen sind viele Bäume bei uns in einen bedauernswerten Zustand  geraten, der meines Erachtens nicht mehr zu übersehen ist.  Gewünscht hätte ich mir und vor allem den jungen & jüngeren Leuten, die sich in den letzten Jahren eingesetzt haben, mehr Bundesgenoss*innen im Kampf um den Erhalt einer unserer  wichtigsten Lebensgrundlagen. Ein Leben ohne Bäume ist für uns nicht möglich, das sollten wir uns immer wieder klar machen, und mir sind sie das, was anderen ihr Hund oder ihre Katze ist: des Menschen bester Freund. Das ist auch fünf Jahre, nachdem ich diesen Post verfasst habe, immer noch so. 

Jetzt seid ihr wieder dran, ihr Lieben, die ihr mit mir diese Baumliebe teilt! Was habt ihr in diesem Juli entdeckt, Schönes wie Bitteres? Die Verlinkung ist wieder bis zum 26. Juli möglich.

                                                                               

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7 Kommentare:

  1. Was für eine wundervolle Baumgeschichte, liebe Astrid, so viele grüne Wegbegleiter, Erinnerungen und ein bisschen Wehmut, aber auch ganz viel Liebe zu deinen Baumgefährten. Und Du hast mit Deiner Schulklasse eine Esskastanie gewonnen? Wie toll ist das denn? Sie muss jetzt schon groß genug sein um auch welche zu ernten und zu rösten, oder?! Ach, das ist ein schöner Gedanke. Linden und Birken mag ich auch sehr gerne. In unserem Garten steht auch eine Birke. Eine Linde hätte Platznot. Dir einen schönen Sonntag, Deine Nicole

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  2. atemlos liebe Astrid habe ich diesen deiner vielen Post' s gelesen. Deine Liebe zu allen Baumarten spürbar deutlich, wobei du Lieblingsbäume hast um sie gesondert liebevoll im Detail zu beschreiben die deine Begeisterung zeigen und sehr ansteckend sind....dazu gibt es diese wunderschönen Bilder die deine jahrelange Freundschaft zu ihnen betonen...
    tausend Dank - ein wundervoller Post...und wenn ich so aus meiner Feder heraus in meine grüne * Landschaft vor dem Fenster sehe , du hast mit jedem deiner Worte etwas sehr zum Klingen in mir gebracht, denn ich sehe dies genauso.. liebe sonntägliche Grüße in deine grüne Stadt, die das gewisse ETWAS hat...angel

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  3. Liebe Astrid,
    du sprichst mir mit deinem Post aus der Seele. Bäume sind lebensnotwendig. Ich habe auch seit 50 Jahren mehrere Bäume im Garten, die jetzt wunderbaren Schatten spenden. Was ist ein Garten ohne Bäume? Wie faszinierend ist das Spiel von Licht und Schatten im Garten. Sicherlich, man muss im Herbst auch Laub fegen, aber so ist es nun mal. Dafür entschädigen uns die Bäume im Frühjahr mit ihrer herrlichen Blüte. Und Bäume wollen gepflegt werden, ich lasse sie regelmäßig vom Fachmann schneide.
    LG Agnes

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  4. Ich erinnere mich sehr wohl noch an diesen Beitrag. Er hat mich so an mein Leben mit Bäumen erinnert. Aber man kann den Menschen gar nicht oft genug sagen, wie wichtig Bäume sind.
    Mit lieben Sonntagsgrüsse
    Nina

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  5. Liebe Astrid,
    deine persönliche Baumgeschichte hat mich sehr berührt – besonders im Zusammenhang mit all den Bäumen, die bereits verschwunden sind, und dem verstummten Gesang der Buchfinken. Es müsste viel stärker ins Bewusstsein gerückt werden, wie überlebenswichtig Bäume für uns alle sind. In meinem aktuellen Blogpost greife ich dieses Thema auf – etwa mit Tafeln wie „CO₂-Speicher Wald“ und dem Hinweis auf die kühlende Wirkung von Baumschatten. Und ja: Ich oute mich darin auch ganz offiziell als „Tree-Hugger“ 🌳😉.
    Wenn ich momentan zum Nordic Walken aufbreche, meide ich sonnenexponierte Wege – ich halte mich an bewaldete Strecken, sonst würde ich selbst vormittags bei dieser Hitze verglühen.
    Der erste Baum, der mir wirklich etwas bedeutete, war übrigens eine Weide im Garten meiner „großen Oma“. Ich liebte es, auf ihr herumzuklettern – bis sie nach ein paar Jahren im Auftrag der Großmutter gefällt wurde, weil sie „zu viel Mist machte“… 😔
    Als Teenager habe ich mit meiner Freundin Brigitte drei Birken auf dem Campingplatz meiner Eltern gepflanzt – eine davon steht heute noch. Immerhin!
    Baumschattige Grüße und alles Liebe,
    🌿 Traude
    https://rostrose.blogspot.com/2025/06/juni-highlights-naturpark-sparbach.html

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  6. Liebe Astrid,

    die Aussage von Hilde Domin hat mich sehr berührt. Die Wurzeln spüre ich noch täglich die mich mit Mama verbinden. Mehrere Bäume und Sträucher haben wir zusammen in den Garten gesetzt, wie es wieder möglich war welche zu erstehen. Große Straßenbäume waren nicht so unser Ding, eher Obst und Beerensträucher wovon man naschen konnte. Die Kanalbirnen mit ihrem rosanen Fruchtfleisch und kostenlos nach der Schule zu pflücken wenn sie reif waren. Schulkinder deren Weg vorbeiführte kamen nicht pünktlich zum Mittagessen nach Hause, was Mütter ängstigte. Am alten Ludwig Donau Main Kanal, heute zugeschüttet, asphaltiert und als Schnellstraße ausgebaut, waren sie in Reih und Glied angepflanzt. Teilstrecken, Schleusenwärterhäuschen und Schleusen sind noch erhalten und für Radfahrer hergerichtet worden, er führt bis Regensburg und ist sehr romantisch. Trauer befällt mich stets wenn ich davon erzähle, denn mit dem Mann waren oft dort entlang gefahren. Das Treideln wurde früher noch betrieben, jetzt zieht die „Elfriede“ das Schiff an besonders auserwählten Tagen oder Hochzeitspaare noch ein paar Schleusen entlang, sehr nostalgisch ist das und meist die Kinder sind mit Freude dabei.
    Hallo, jetzt aber genug geträumt, zurück zum Thema. Heute sind Bäume besonders Laubbäume für uns Leben und atmen. Schön dass Du uns zurückgeführt hast in Deine Erlebnis- und Gedankenwelt über sie. Kerstin schickte mir vor ein paar Tagen
    eine Mitteilung dass in Frankfurt am Merianplatz zwei 80 m hohe Platanen vergiftet wurden, dazu auch noch angebohrt wurden. Die Stadt untersuchte den Vorfall und das Labor bestätigte vergiftet mit dem Unkrautvernichtungsmittel Glysophat. Sie müssen gefällt werden, Anwohner berichteten über das Braunwerden der Kronen. Im Frühjahr 2026 gibt es eine Ersatzpflanzung.
    Die Stadt Frankfurt berichtet über zwei weitere dubiose Fälle in anderen Teilen der Stadt über Baumschändungen. Wer macht denn so etwas? Es ist nicht zu fassen.
    Danke für diesen schönen Rückblick, in unserem Garten stehen sie alle noch, die Hängescheinzypresse Ulli spendet derzeit Schatten. Ulli zwei ist zu Kerstin gezogen, ich hatte sie beim Gärtner entdeckt
    als ich Rindenmulch kaufte und mein Herz hüpfte als ich die Bestätigung erhielt sie kaufen zu dürfen.
    Bäume sind Lebensgefährten wenn man sie denn leben lässt.
    Hier fuhren wir mit dem Rad immer durch das Eichenwäldchen der weit über 100 jährigen, die wohl schon meine Eltern gekannt hatten, die Stadt Nürnberg pflegt sie und spritzt auch wenn der Prozessionsspinner sein Unwesen treiben will.
    Sodele, versumpft in der Baumliebe, noch gibt es sie, ich versorge mit meinem Gartenschlauch auch die Akazie vor der Haustüre am Gehweg. Danke murmelt sie, ich sag tschüss zu ihr, ich komm bald wieder.

    Liebe Grüße in den restlichen sehr heißen Tag von Helga/Kerstin

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    1. Leider kommt das immer wieder vor, dass Leute Bäume "dahinmorden". War in Bonn in der Heerstraße der Fall, wo die Hölle los ist, wenn die Kirschen blühen. Bei meinem Vater hat ein Nachbar auch dem 2. Walnussbaum zugesetzt. beweisen konnte man es leider nicht. Über die Blödheit der Menschen könnte ich mich nur aufregen. Doch das bringt nur mir Schaden. Ich hab als Lehrerin fast 40 Jahre versucht zu vermitteln, weshalb Bäume für uns lebensnotwendig sind. Ob es genutzt hat, weiß ich nicht. Manchmal befallen mich Zweifel.
      Alles Gute für die nächsten überhitzten Tage!

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